Biedermann trifft auf Beate: Unterhaltsame Aufführung des Kurses Dramatisches Gestalten
Ein Tisch mit Stühlen vor schlichter weißer Kulisse - dieses minimalistische Bühnenbild war der erste Eindruck, den die Zuschauer von „Biedermann und Beate“ Mitte Juni im Festsaal des Auersperg Gymnasiums bekamen. Im Zuge der Aufführung spiegelte der Tisch dann durch verschiedene Dekorationen den Ort der jeweiligen Szene gekonnt wieder.
In Anlehnung an Max Frischs Klassiker „Biedermann und die Brandstifter - Ein Lehrstück ohne Lehre“, uraufgeführt in Zürich 1958, inszenierte der Kurs unter der Leitung von Stephanie Holly eine Neufassung mit vielen aktuellen Bezügen. Da waren zunächst die Polizisten Michael Robl, Felix Karschay, Ardita Ramnabaja und Amadeus Helling, die sich in der Kantine über Flüchtlinge unterhalten und dabei mutig Klischees bloßstellen, dann Miriam Fenzl als gewitzte Brandstifterin Beate, die sich das Vertrauen des Spießers Biedermann erschleicht und damit einen Verweis zum NSU-Prozess, dem Phänomen PEGIDA, aber auch zu den Wahlerfolgen der AfD schafft, sowie Katharina Wimmer als Sekretärin Charlotte, mit der Biedermann seine Frau Babette, gespielt von Lena Karfle, betrügt.
Diese und andere Neuerungen wurden von den beteiligten Schülerinnen und Schülern selbst erdacht, getextet und in Frischs Original eingefügt. So beschränkte sich der Kurs „Dramatisches Gestalten“ nicht nur auf die Einübung der Rollen, sondern bot den Teilnehmenden die Gelegenheit, auch schreiberische und kreative Fähigkeiten auszuprobieren.
Vielleicht lag hierin auch ein Grund für die offensichtliche Spielfreude der Darsteller und Darstellerinnen. Tobias Findeisen schnipste als zweiter Brandstifter unentwegt und überaus vergnügt und aufmüpfig mit seinen Hosenträgern. Hannah Heininger gab das servile Dienstmädchen Anna mit stoischer Todesmiene. Herausragend war jedoch Paul Färber in der Hauptrolle als Biedermann, die er als mit Abstand jüngster Darsteller souverän auf die Bühne brachte. Die Zigarre in der einen, das Rotweinglas in der anderen Hand, gab er den Biedermannschen Traktaten über Gott und die Welt ein modernes Gesicht.
Obwohl manche der Bezüge zur heutigen Zeit sich nicht ganz organisch in Frischs Text einfügten, gebührt der Freudenhainer Theatergruppe großer Respekt für den Mut, eine solche Aktualisierung zu wagen. Sie hauchte Frischs Vision des intellektuell beschränkten Spießers, der durch seine eigene Engstirnigkeit und Selbstgefälligkeit letztlich den Brandstiftern auf den Leim geht, vor denen er sich so sehr fürchtet, neues Leben ein. Als am Ende die Tagesschau mit einem Video von den brennenden Trümmern des Biedermannschen Hauses berichtet, ist die Botschaft ganz deutlich: Die geistigen Brandstifter sind mitten unter uns - damals wie heute. Ihre Absichten sind nicht offensichtlich, doch das Resultat ihres Wirkens verheerend.
André Urbanczyk
Fotos: Mt.